Agrarpolitik: Kreisbauernverband und Regionalgruppe „Land schafft Verbindung“ gestalten in Flemmingen besonderen Weihnachtsgruß. Welche Ziele die Aktion hat.
Von ALBRECHT GÜNTHER
Flemmingen „In der Dunkelheit des Dezembers wollen wir ein Zeichen setzen und der Bevölkerung einen besonderen Adventsgruß schicken, denn wegen der Pandemie fallen die Weihnachtsmärkte aus, ist das öffentliche Leben eingeschränkt“, eröffnet Andreas Baum die Licht-Aktion der Bauern aus dem Burgenlandkreis sowie aus dem benachbarten Saalekreis und aus Thüringen. Knapp 60 weihnachtlich beleuchtete Traktoren sowie landwirtschaftliche Maschinen und ein Milch-Transporter sind von den Landwirten zuvor in Form eines Tannenbaumes auf einer Wiese nahe Flemmingen postiert worden.
Preisverfall und Corona
Aufgerufen zu der Aktion am Mittwochabend hatten die Regionalgruppe „Land schafft Verbindung“ sowie der Bauernverband Burgenland. Andreas Baum, Ackerbau-Leiter in der Agrargesellschaft Prießnitz, weist im Namen von „Land schafft Verbindung“ allerdings auch hin auf den zweiten, ebenso wichtigen Aspekt der Aktion. Denn nach zwei Dürrejahren und einem Preisverfall bei Schweinefleisch - pro Kilo erhalten die Bauern 1,12 Euro -, einem Niedrig-Milchpreis von 32Cent je Liter und der Verschärfung der Situation durch Corona sehe es für zahlreiche bäuerliche Betriebe selbst eher dunkel aus.
Ähnlich äußert sich die Geschäftsführerin des Bauernverbandes, Tina Eulau: „Obwohl die Kosten steigen, erhalten die Bauern für ihre hochwertigen Produkte keine angemessenen Preise. Andererseits werden die Auflagen verschärft, so beim Düngen, erhöht sich etwa durch die Dokumentationspflicht der bürokratische Aufwand immens.“
Wunsch an die Verbraucher
Mit der abendlichen Aktion, an die sich ein Traktor-Corso über den Naumburger Ring anschließt, wollen die Bauern nicht zuletzt bei den Verbrauchern punkten. Matthias Schmidt, der gemeinsam mit seinen Eltern, seiner Schwester sowie zwei Mitarbeitern in Balgstädt einen klassischen landwirtschaftlichen Familienbetrieb mit einer Bewirtschaftungsfläche von 850 Hektar am Laufen hält und für den ein Arbeitstag von zehn bis 13 Stunden keine Seltenheit ist, hebt diesen Aspekt - befragt von Tageblatt/MZ - besonders hervor.
„Ich wünsche mir, dass die Verbraucher bereit sind, für unsere qualitativ sehr guten Produkte auch etwas mehr zu zahlen.“ Allerdings, das weiß auch Schmidt, der mit der Agrar GmbH Balgstädt jeweils rund 25 Prozent Erlösverluste aufgrund der beiden Dürrejahre zu verkraften hat, sind die Supermarkt-Konzerne in der Erzeuger-Verbraucher-Kette das entscheidende Glied.
Andreas Baum bringt es auf den Punkt: „Der Handel verramscht Lebensmittel mit bis zu 30 Prozent Rabatten und lockt die Verbraucher mit absolut grenzwertigen Preisen in die Läden. Wir unterstützen die bundesweiten Aktionen mit Blockaden der Handelsketten. Das Geld für höhere Produktpreise muss bei den Landwirten ankommen. Fair Trade für die Landwirtschaft ist das Gebot der Stunde.“ Die Bauern, so Baum weiter, seien die neuen Buhmänner der Gesellschaft: „Früher war der Landwirt mit dem Lehrer und Pfarrer der angesehenste Beruf, heute ist es der Youtuber und Influencer. Die Landwirte stehen als Umweltsünder und Tierquäler zu Unrecht am Pranger. Wir fordern zukunftsfähige und auskömmliche Bedingungen, so dass die nächste Generation ebenfalls noch Landwirtschaft betreiben kann.“ Auch Schmidt hat an diesem Abend einen klaren Appell: „Die Politik sollte sich mit uns, mit den Leuten vom Fach, an einen Tisch setzen. Viel zu oft werden Entscheidungen getroffen, ohne unsere Belange zu berücksichtigen.“
Dann steigen die Bauern, die sich in gebührendem Abstand und - wenn notwendig - mit Mund-Nase-Schutz auf der vom Unternehmen New-Tec zur Verfügung gestellten Fläche versammelt hatten, in ihre Traktoren. In den „Baum“ eingereiht haben sich außerdem Maschinen aus Landwirtschaftstechnik-Unternehmen der Region. Als „Baumspitze“ ist ein Mähdrescher postiert. Schließlich geben Tina Eulau und Andreas Baum das Signal: Zuerst werden die Lampen eingeschaltet, es folgen die gelben Rundumleuchten und zuletzt strahlen die rückwärtigen Arbeitsscheinwerfer auf. Außerdem sind viele Traktoren mit Lichterketten und Weihnachtsbäumen geschmückt. Und als Krönung lässt Schmidt von seiner mobilen Bauern-Disco Weihnachtsmusik erklingen, flammen Feuerstrahlen auf. Zum Fotografieren steigt eine Drohne auf.
NTB/ NEB Freitag 11.Dezember 2020
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