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Schwein bringt kaum Schein


Bauern Coronabedingt werden sowohl weniger Ferkel abgenommen als auch Masttiere geschlachtet. Prießnitzer Betrieb ist in Sorge. Dabei hat er für das Tierwohl viel getan.


Prießnitz/Janisroda

Ronny Haufe ist Schweinezüchter mit Herz und Seele. Betritt er die Sauenzucht-Anlage in Janisroda, ist er in seiner Welt. Viel hat die Agridienst Prießnitz GmbH in den vergangen Jahren hier getan, um das Tierwohl zu verbessern. 2009/2010 wurde der Stall modernisiert und die Sauenzuchtanlage neu konzipiert, in der seit 2016 mit dem Halten von Ringelschwanz-Tieren gute Erfahrungen gemacht werden.

Derzeit jedoch treibt es Ronny Haufe meist die Sorgenfalten auf die Stirn. Denn seit Wochen schon bestimmen die Themen Corona und Afrikanische Schweinepest seine Arbeit als Leiter der Janisrodaer Sauenzucht und der Schweinemastanlage in Wünsch (Saalekreis). Beide Ställe gehören zum bäuerlichen Agridienst-Betrieb, dieser wiederum zur Agrargesellschaft Prießnitz. Ein aus insgesamt neun Mitarbeitern bestehendes Teams sorgt in beiden Anlagen für das Wohl der Tiere, kümmert sich um die Geburt der Ferkel und deren Aufzucht sowie um die Mast. In Wünsch gibt es 3.000 Tierplätze, in Janisroda sind 4.000 Tiere und dort vor allem Ferkel zu versorgen.

Weil in den Schlachthöfen wegen der Corona-Situation jedoch seit geraumer Zeit weniger Schweine abgenommen werden, stehen die Tiere länger im Stall. Das aber verursacht nicht nur mehr Kosten, sondern lässt die Mastschweine auch schwerer werden. Beträgt das normale Schlachtgewicht 94 bis 95 Kilo, bringen die Tiere nun 99 bis 100 Kilo auf die Waage. „Damit erhöht sich der Fettgehalt des Fleisches, die Qualität sinkt - und damit der Preis“, berichtet Ronny Haufe. Zwei Euro pro Kilo Fleisch vom Mastschwein wäre der Preis, der sowohl den Bauern als auch dem Tierwohl gerecht würde. Bei 1,65 Euro pro Kilo könne man noch einigermaßen auskömmlich wirtschaften, so Ronny Haufe weiter. Doch der Erlös von 1,27 pro Kilo Schweinefleisch, der derzeit erzielt werde, decke nicht einmal die Kosten. „Wir erleben seit etwa vier Wochen einen brutalen Preisverfall, der sich nicht ausgleichen lässt“, schildert der Bereichsleiter. Hinzu komme, dass der Export aufgrund der nun auch in Deutschland aufgetreten Afrikanischen Schweinepest eingebrochen ist.

Bis Mitte nächsten Jahres, so schätzt Ronny Haufe, wird es dauern, bis sich die Situation in den Schlachthöfen wieder normalisiert. Für etliche Schweinemastbetriebe allerdings könnte es dann schon zu spät sein. Ähnlich dramatisch ist die Situation in der Ferkelaufzucht. Da weniger Masttiere geschlachtet werden, ist auch hier die Nachfrage deutlich geringer geworden. Die Folge: „Jetzt erhalten wir nur noch 27 pro Ferkel, notwendig aber wären minimal 60 Euro, optimal sind 80 Euro“, beschreibt Haufe den Preissturz.

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Durch die längere Verweildauer und stetig neue Geburten vergrößert sich in den Anlagen die Zahl der Tiere. „Das ist nicht gut, denn dann stellt sich auch die Frage des Tierwohls.“

Aber vor allem diesem Aspekt hat der Betrieb in der Vergangenheit große Aufmerksamkeit geschenkt. So beteiligte er sich am zweijährigen Modell- und Demonstrationsvorhaben Tierschutz, das bis in die Gegenwart nachwirkt und das eine Reihe neuer und guter Erfahrungen brachte, wie Philipp Schulz berichtet. So wurden sowohl in der Ferkelaufzucht als auch in der Mast die Buchten vergrößert, sagt der Assistent der Geschäftsführung und im Betrieb Verantwortliche für Schweinehaltung. Aus ehemals drei oder vier Buchten entstanden Großräume mit den Funktionsbereichen Fressen und Ruhen, Aktivsein und Koten. Dabei entwickelte sich Ronny Haufe beinahe zum Tierpsychologen, erkannte er doch, dass die älteren Ferkel „Spielzeug“ brauchen und Beschäftigungsfutter ihnen deshalb besonders willkommen ist.

Ohne moderne Technik allerdings, das bekamen Ronny Haufe und Philipp Schulz nicht zuletzt durch die Mitarbeit im Netzwerk der Demonstrationsbetriebe „Automatisierung Schweinehaltung“ bestätigt, geht es auch in der Schweinemast nicht. „Wir haben dazu in unseren Mastbuchten sogenannte Mikrosuhlen eingebaut“, nennt Schulz ein Beispiel. Gesteuert von einem Klimacomputer, dienen sie zum Abkühlen der Tiere. „Dies hebt das Wohlbefinden der Schweine, zudem befriedigt die Mikrosuhle den Spieltrieb und steigert die Wasseraufnahme.“ Mit dieser verbesserten Haltung nutze der Betrieb die Erkenntnisse der Wissenschaft.

Freilich, so Schulz, habe der teils in Eigeninitiative erfolgte Umbau Mehrkosten verursacht, die mit einer Förderung von 100.000 Euro abgefedert wurden. Außerdem sei die Arbeitszeit pro Bucht gestiegen, je Tier allerdings gesunken. Insgesamt, so das Fazit von Philipp Schulz, habe der Betrieb mit dem Projekt sowohl bessere Haltungsbedingungen für die Tiere geschaffen als auch die eigene Produktion gestärkt. „Deshalb werden wir trotz der derzeit schwierigen Bedingungen an der Ferkelaufzucht und der Schweinemast festhalten“, bekräftigt Ronny Haufe.

Mit Situation meint er außerdem die zunehmende Bedrohung durch die Afrikanische Schweinepest, die bereits in Brandenburg aufgetreten ist und die damit ihren Weg nach Deutschland gefunden hat. Würde sie bei Wildschweinen im Burgenlandkreis bemerkt, hätte das für die Schweinehalter gravierende Negativ-Folgen. So gelten deshalb in den Betrieben bereits erhöhte Sicherheitsmaßnahmen, unter anderem durch verstärkte Desinfektion und Zutrittsverbote.

Um für den Fall des Auftretens der Tierseuche vorbereitet zu sein, hatten die fünf in der Saale-Unstrut-Elster-Region tätigen Jägerschaften bereits vor Wochen vom Burgenlandkreis entsprechende Maßnahmen und Vorkehrungen gefordert. „Tritt in einem Gebiet ein Fall auf, muss es als Kernzone ausgewiesen und entsprechend wirksam umzäunt werden“, sagt Jürgen Hartung, der dem Vorstand des Landesjagdverbandes angehört.

Der Burgenlandkreis indes hat auf die neue Herausforderung reagiert, wie Landrat Götz Ulrich (CDU) im jüngsten Kreistag informierte. So habe der Landkreis mit dem Saalekreis die gemeinsame Nutzung des Tierseuchenlogistikzentrums in Blösien vertraglich geregelt. Dort werden Tierseuchenschutzausrüstungen, Kadaverbergesets, Probenahme-Koffer und Desinfektionsmittel gelagert. Außerdem befinden sich dort die sanitären Einrichtungen zur Verhinderung des Verschleppens von Infektionserregern, wie sie gesetzlich vorgeschrieben sind. „Zum Abgrenzen eines Kerngebietes habe ich für den Burgenlandkreis entschieden, einen eigenen Zaun zu kaufen, um im Bedarfsfall sofort mit den Absperrmaßnahmen beginnen zu können“, so Ulrich im Kreistag weiter. Verstärkt würden inzwischen in den Betrieben die Kontrollen zum Einhalten der Biosicherheitsmaßnahmen.

Positiv bewertete Jürgen Hartung im Namen der Jäger, dass der Kreis seit 1. Oktober auf die Gebühr für die Trichinenuntersuchung gejagter Tiere verzichtet. Da der Absatz von Wild für die Jäger schwieriger geworden ist, sei dies eine wichtige Hilfe. Laut Ulrich hat diese Maßnahme dazu geführt, dass das Schwarzwild nun stärker bejagt wird. Über diese und weitere Maßnahmen berieten Ulrich und die Kreisverwaltung am Montag mit Vertretern der Jägerschaften.

NTB/NEB Mittwoch, 28. Oktober 2020

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