Tierhaltung: In ihren Hähnchenställen in Tauhardt nutzt die Kahlwinkel Agrar KG
eine neue Methode: Sie erspart den Transport und sorgt für besseres Wachstum.
Von Albrecht Günther
Kahlwinkel Wenn neues Leben beginnt, geschieht das in den Geflügelställen der Kahlwinkel Agrar KG in Tauhardt gleich 128.000-fach. Und das in kurzer Zeit. Denn nur etwa 72 Stunden dauert es, bis aus den in dieser Menge in der Mitte der Anlage behutsam abgelegten Eiern die Küken schlüpfen. Für Yvonne Meyer sind dies besondere Tage. Kann die Mitarbeiterin der Kahlwinkel Agrar KG doch miterleben, wie sich die Jungtiere aus den Eiern herauspicken, um erste Schritte und sich akustisch bemerkbar zu machen.
Mit dem sogenannten „Nest Born“ geht der bäuerliche Betrieb einen neuen Weg der Tierhaltung. Wurden früher die Jungtiere von einem externen Anbieter angeliefert, kauft das Unternehmen nun Eier, um sie in den eigenen Ställen auszubrüten und die Hähnchen anschließend bis zur Schlachtreife aufzufüttern. „Das Tierwohl wird damit erheblich gesteigert“, begründet Roland Braune, weil ein Transport der Küken nicht nötig ist.
Bereits 18 Tage vorgebrütet
Entwickelt worden ist die neue Methode von einem niederländischen Unternehmen. Es bringt die 18 Tage lang vorgebrüteten Eier, die in Schubladen vergleichbaren Behältnissen liegen und wie Backbleche übereinandergestapelt sind, mit einem Elektrofahrzeug in die Ställe. „Der E-Antrieb ist wichtig, weil Abgase für die Tiere schädlich wären“, erläutert Matthias Klug, ebenfalls Geschäftsführer der Kahlwinkel Agrar KG. Anschließend werden die Eier jeweils einer Palette mittels Sog herausgehoben und in den vorbereiteten Nestbereich gelegt. Rechts und links neben diesem breiten Streifen gibt es genügend Platz, den die Hühnchen und Hähnchen nach dem Schlüpfen aufsuchen können.
„Wir merken, dass die Tiere in den Ställen schnell ihr Zuhause finden, sich wohlfühlen. Wir haben diese Methode jetzt bereits zum sechsten Mal angewandt und damit sehr gute Erfahrungen gemacht“, schätzt Klug ein. „Die Aufzuchtverluste sind sehr gering. Die Tiere haben eine bessere Futterverwertung und wachsen besser“, ergänzt Braune.
Möglich war der Schritt zum „Nest Born“, weil die Ställe entsprechende klimatische Bedingungen und mit einer Temperatur von 34,5 Grad beste Voraussetzungen bieten. Sie werden über die Abwärme eines Blockheizkraftwerkes, das in Tauhardt betrieben wird, beheizt. Das Futter für die Tiere wird im Betrieb bereitet. „Wir mischen das Geflügelfutter selbst, verwenden dafür 33 Prozent eigenen Weizen. Die Tiere mögen das Getreide, fressen es gern.“ Gewachsen ist der Weizen auf Feldern, die der Betrieb als Nachfolger einer früheren LPG bewirtschaftet. Die rund 2.000 Hektar, auf denen Ackerbau betrieben wird, sowie die Grünlandflächen verteilen sich über zehn Gemeinden der Finne-Region. Außerdem gehören die Putenmastanlage in Steinburg und eine Schafherde zum Betrieb.
Zehn Prozent weniger
Ausgelegt und genehmigt ist die Tauhardter Hähnchenmastanlage für insgesamt 132.000 Tiere. „Wir haben die Zahl der Mastplätze jedoch um zehn Prozent reduziert, weil wir an der Initiative Tierwohl teilnehmen“, sagt Roland Braune. Sind alle Tiere aus den Ställen gebracht, werden diese gesäubert, desinfiziert und neu hergerichtet.
Trotz der jeweils großen Zahl der Tiere, die nach 30 Tagen und einem Gewicht von 1.600 Gramm als sogenannte Griller und nach 38 Tagen sowie etwas schwerer als Zerleger zu den Schlachtbetrieben nahe Jena und nach Sachsen gebracht werden, ist die Nachfrage nach Weißfleisch ungebrochen groß. So verzehrte im vergangenen Jahr jeder Bundesbürger im Durchschnitt 13,8 Kilogramm Geflügelfleisch. „Es hat eine hohe Qualität, ist leicht und lässt sich gut zubereiten“, sieht Braune die Vorteile dieser Kost.
„Preise sind unter Druck“
Allerdings: Die Corona-Krise macht auch um diese Branche, die bislang im Wachstum war, keinen Bogen. „Natürlich merken wir, dass Gaststätten und Restaurants schließen mussten, Volksfeste nicht stattfinden, denn sie nehmen etwa die Hälfte des Geflügels ab. Die Marktlage ist angespannt, die Preise sind unter Druck und fallen, viel Fleisch ist bereits in die Frostung gegangen“, weiß Braune. Ähnlich sieht es Matthias Klug: „Wenn die Erlöse nicht noch weiter sinken, kommen wir gerade so hin.“
Tina Eulau, Geschäftsführerin des Bauernverbandes Burgenland, indes lobt die Aktivitäten, welche die Kahlwinkel Agrar KG in Sachen Tierwohl gestartet hat. „Wir als Verband unterstützen dies ausdrücklich, obwohl mehr Tierwohl vom Verbraucher zwar gewollt, aber nicht immer über den Preis entsprechend honoriert wird.“
Wunsch: Höherer Stellenwert
Auch Roland Braune wünscht sich, dass Lebensmittel wieder einen höheren Wert in der Gesellschaft erhalten. „Nicht zuletzt, weil darin viel Arbeit steckt, die wir als Bauern täglich leisten.“
Aufklärung in dieser Hinsicht betreibt das Unternehmen seit drei Jahren in besonderer Form. „Wir unterbreiten Lehrern Angebote zur Weiterbildung rund um Landwirtschaft und Tierhaltung“, erläutert Matthias Klug. Diese sind gut angenommen worden; 20 bis 25 Lehrer hat er begrüßen können. „Wir geben den Pädagogen und Erziehern einen Einblick in unsere Tätigkeit und Produktion, zeigen viel und beantworten Fragen.“ Auch zur Saubacher Kneipp-Grundschule hat die Kahlwinkel Agrar KG einen guten Kontakt.
NTB Montag 30. November 2020
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